Prof. Dr. Thomas Bartolomaeus
Vergleichende Ultrastruktur und Evolution der Invertebraten
Forschungsschwerpunkte
Evolution
Im Zentrum der Arbeit steht die Radiation der Bilateria. In einem
kombinierten Ansatz zur Aufdeckung der verwandtschaftlichen Beziehungen
innerhalb dieser Gruppe nutzen wir vergleichend-morphologische und
sequenzanalytische Methoden. Die molekularen Arbeiten erfolgen seit 2000
in Zusammenarbeit mit Christoph Bleidorn und Lars Podsiadlowski. Mit
Lars Vogt gehen wir das linguistische Problem der Morphologie an und
entwickeln eine resource descriptive framework (RDF)-Ontologie
für die Metazoen. Die Stellung der Nemertea im System der Bilateria und
die Evolution der Anneliden bilden aktuell Schwerpunkte meiner Arbeit.
Zu den aktuellen Projekten gehören vergleichend-anatomische
Untersuchungen von Nemertinen, die in Zusammenarbeit mit Jörn von Döhren
zur Klärung ihrer Phylogenie beitragen sollen. Die Ultrastruktur der
Chaetogenese und der larvalen Nieren bei Anneliden gehört zu einem
weiteren Satz aktueller Projekte, die in Zusammenarbeit mit Björn Quast
und Harald Hausen durchgeführt werden. Im Rahmen des
DFG-Schwerpunktprogrammes „Deep Metazoan Phylogeny“ analysierten wir
zudem in Zusammenarbeit mit Markus Koch das Schicksal des embryonalen
Coeloms und die Bildung der Nephridien bei Arthropoden.
Taxonomie
Die Identifikation von Nemertinen-Arten ist auf der Basis äußerer
Merkmal kaum möglich, deshalb wird die histologische Organisation zur
Bestimmung herangezogen. Weil diese Informationen kaum verfügbar und
ihre Beschaffung oft nur über Vergleiche mit Museumsmaterial möglich
sind, bauen wir in einem Langzeitprojekt eine Datenbank zu den
wichtigsten Nordeuropäischen Nemertinen auf. Diese enthält neben
biologischen, ökologischen und molekularen Markersequenzen (COI, 18S,
28S, 16S) auch vollständige, hochauflösende digitale Schnittserien, die
einen sehr schnellen Abgleich von Informationen erlauben. Die Daten
werden im Rahmen von Bachelor-Arbeiten erhoben und sollen die
Identifikation von Arten mittels molekularer und morphologischer Marker
erleichtern. Der Aufbau der Datenbank unter Morph·D·Base erfolgt in Zusammenarbeit mit Jörn von Döhren und Peter Grobe (ZFMK Bonn).
Ultrastruktur und Phylogenie der Polychaeta
Polychaeten
sind ein hochdiverses Taxon der Anneliden, dessen
Verwandtschaftsbeziehungen nicht ausreichend bekannt sind. Der Mehrzahl
der bisherigen Analysen mangelt es an vergleichend-morphologischen Daten
von möglichst vielen Teilgruppen polychaeter Anneliden. Seit 1996
bearbeiten wir hierzu die Ultrastruktur und Bildung von Borsten und
larvalen Nephridien.
Borsten weisen innerhalb der Polychaeten trotz hoher Taxonspezifität eine große strukturelle Diversität auf, so dass ihnen eine wichtige Rolle in der Taxonomie zukommt. Die Borstenstruktur und Orientierung wird durch eine einzige Bildungszelle,den Chaetoblasten, determiniert, dessen Mikrovilli-Muster sich im Laufe der Chaetogenese verändert. Borsten sind damit in der Zeit eingefrorene Veränderungen des oberflächlichen Mikrovilli-Musters von Borsten. Aufgrund der Taxonspezifität der Borsten ist anzunehmen, dass die Chaetogenese einer strengen Regulation unterliegt, um zu gewährleisten, dass sich Borsten bei Individiuen, Populationen und Arten identisch ausbilden. Daher sollte die Regulation der Chaetogenese so konserviert sein, dass sie innerhalb von Abstammungsgemeinschaften weitergegeben werden konnte. Eine identische Struktur und Bildung der Borsten sollte daher ein starkes phylogenetisches Signal darstellen, das auf größere Abstammungsgemeinschaften hinweist. Die Arbeiten zur Chaetogenese erfolgen in Kooperation mit Harald Hausen und Ekin Tilic.
Larvale
Protonephridien oder Kopfnieren sind die ersten Nierenorgane, die im
Laufe der Ontogenese der Polychaeten differenziert werden und dann auf
die Larvalphase beschränkt bleiben. Sie bestehen aus einer limitierten
Anzahl von Zellen, zeigen aber eine hohe Variabilität zwischen einzelnen
Gruppen. Bisher zeigt sich, dass eine übereinstimmende Ultrastruktur
dieser Organe auf monophyletische Einheiten innerhalb der Anneliden
hinweist. Darüber hinaus eignen sich Kopfnieren sehr gut für RDF
Kodierungen. Diese Arbeiten erfolgen in Zusammenarbeit mit Björn Quast,
Peter Grobe und Lars Vogt.
Lehre
Vorlesungen:
Morphologie und Evolution der
Tiere, Adaptive Radiation der Metazoa, Ökologie, Organismic Biology:
Evolution, Biodiversity, Physiology
Übungen:
Morphologie und Evolution der Tiere, Adaptive Radiation der Metazoa,
Causes and Mechanisms of Evolution, Ökologie des Wattenmeeres
(zweiwöchiges Freilandpraktikum in List/Sylt); Meeresbiologie
(zweiwöchiges Freilandpraktikum in Concarneau (Bretagne, Frankreich)).
Seminare & Kolloquien:
Evolutionsbiologisches Kolloquium